Texterörterung
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        Arbeitsanweisungen
        
          - Geben Sie die Kerngedanken des folgenden Textes wieder.
 
          - Setzen Sie sich mit ihnen kritisch auseinander unter
            Einbeziehung des Artikels 16a GG.
 
          - Legen Sie Ihren Standpunkt begründet dar.
 
         
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        Einwanderung
        statt Zuwanderung
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        | Zu viele
        Ausländer missbrauchen das Asylrecht | 
       
      
        | von Bassam
        Tibi | 
       
      
         BASSAM TIBI 
        Der 56-jährige Politik- 
        wissenschaftler lehrt 
        seit 1973 an der 
        Universität Gottingen. 
        Er ist Autor der Ver- 
        öffentlichung "Europa 
        ohne ldentitat? Die 
        Krise der multikultu- 
        rellen Gesellschaft" 
        (Siedler) | 
       
      
          
         
         
         
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        Ein Schulleiter aus Berlin-Kreuzberg 
        gab während einer Tagung der 
        SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung 
        an, eines der Probleme bei der In- 
        tegration von Kindern ausländischer 
        Zuwanderer sei, dass die Eltern. sehr 
        oft Sozialhilfeempfänger seien. Die 
        ausländischen Schüler hätten nach 
        Schulabschluss oft dauerhaften Emp- 
        fang von Sozialhilfe als Zukunft vor 
        Augen. Ein Grund dafür sei, dass sie 
        meistens in ihrem Ghetto-Milieu auf- 
        wachsen und die Schule hier einen 
        geringen Einfluss hat. Ein Berliner 
        Richter berichtet gleichzeitig über 
        die "ausschließlich von arabischen 
        Jugendlichen aus dem Libanon ver- 
        übten gewaltsamen Supermarktüber- 
        fälle". Ein anwesender libanesischer 
        Wissenschaftler klassifizierte diese 
        Einwanderer als vormalige Slumbe- 
        wohner, die während des Bürgerkriegs illegal 
        durch Schieberbanden über OstberIin nach 
        Deutschland gekommen seien. Sie kämen 
        aus der untersten Schicht der libanesischen 
        Gesellschaft und seien oft Analphabeten. Der 
        Richter war erstaunt darüber, dass manchmal 
        sogar libanesische Straftäter - auch nach il- 
        legaler Zuwanderung - eingebürgert worden 
        sind, obwohl sie lange Strafregister aufweisen. 
          Bei der Veranstaltung der Stiftung folgte 
        man der von Bundespräsident Johannes Rau 
        in seiner Berliner Rede formulierten Auffor- 
        derung, "eine breite öffentliche Debatte" über 
        Einwanderung zu führen. Inzwischen ist man 
        Deutschland so weit, anzuerkennen, dass 
        dieses Land faktisch ein Einwanderungsland 
        geworden ist. Auch Bundesinnenminister 
        Otto Schily (SPD) fordert eine Steuerung der 
        Einwanderungspolitik. Rational gedacht, be- 
        deutet Steuerung, vorwiegend qualifizierte 
        Fachkräfte als Migranten auszuwählen, die 
        von der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft 
        benötigt werden. 
          Die Statistik zeigt, dass eine - mangels
        Ein- 
        wanderungsgesetz - wildwüchsige Zuwande- 
        rung stattfindet, bei der die Zahl der Sozial- 
        hilfeempfänger ansteigt. Im Jahr 1967 waren 
        die ins Land geholten "türkischen Gastarbei- 
        ter" vorwiegend erwerbstätig, und Ausländer 
        bekamen nur 1,3 Prozent des Sozialhilfe- 
        budgets. 30 Jahre später, 1997, waren es 20,7 
        Prozent, Tendenz steigend. 1998 betrug der 
        Anteil 23,3 Prozent, obwohl Ausländer nur 
        sieben Prozent der Bevölkerung ausmachten. 
        Für integrierte Ausländer ist das ein Ärgernis, 
        weil der Anstieg der Sozialhilfeempfänger 
        unter den Zuwanderern die Fremdenfeind- 
        lichkeit intensiviert. Die integrierten und er- 
        werbstätigen Ausländer, die dieses Land mit 
        aufgebaut haben, mögen nicht mit diesen in 
        einen Topf geworfen werden. 
          Wie können Politiker aus der Vergangenheit 
        lernen? Durch Steuerung der Zuwanderung 
        und deren Umwandlung in Einwanderung. 
        Der Unterschied zwischen den beiden Be- 
        griffen: Zuwanderung ist völlig unreguliert. 
        Sie findet ohne gesetzlichen Rahmen und 
        ohne Steuerung statt. Einwanderung dagegen 
        wird durch das Gesetz geregelt und folgt einer 
        Zielsetzung. 
          Die wildwüchsige Zuwanderung nach 
        Deutschland lief bisher über das Asylrecht. 
        Der vom Bundespräsidenten in der Berliner 
        Rede mit vier Prozent angegebene Anteil der 
        anerkannten Asylanten zeigt, dass 96 Prozent 
        der Asylbewerber Zuwanderer und keine 
        politisch Verfolgten sind. In der Diskussion 
        bei der Ebert-Stiftung wurde deutlich, dass 
        die auf diese Weise Zugewanderten meistens 
        nicht genügend ausgebildet, ja sogar Anal- 
        phabeten sind. Natürlich gibt es in Deutsch- 
        land Diskriminierung und Rassismus - dies 
        sogar zunehmend. Aber allein damit kann 
        man nicht erklären, dass bestimmte Zuwan- 
        derer auf Dauer arbeitslos und Sozialhilfe- 
        empfänger bleiben. Jugendarbeitslosigkeit 
        bei Zuwanderem hängt auch damit zusam- 
        men, dass sie kaum eine Berufsqualifikation 
        haben, ja - auf Grund schlechter Sprach- 
        kenntnisse - selbst einfache Arbeiten nicht 
        verrichten können. 
          Die Erkenntnis, dass ein Eiwanderungs- 
        gesetz erforderlich ist, bleibt nicht nur in- 
        konsequent, sondern auch wertlos, wenn sie 
        nicht mit der Einsicht verbunden wird, dass 
        Artikel 16a Grundgesetz an europäische 
        Standards angepasst werden muss, um einen 
        Missbrauch des Asylrechts als Hintertür für 
        Zuwanderung zu unterbinden. | 
       
     
    © FOCUS 38/2000 
     
    Material
    Anmerkung: Professoren, die nicht
    die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, erhalten diese bei ihrer Berufung auf den
    Lehrstuhl einer deutschen Universität. 12% der Bevölkerung Syriens sind Christen. 
    Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 
    Artikel 16a [Asylrecht]
    (1) Politisch Verfolgte genießen
    Asylrecht.  
    (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen
    Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des
    Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der
    Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der
    Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden
    durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des
    Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen
    eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.  
    (3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt
    werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen
    politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung
    noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird
    vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er
    nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung
    politisch verfolgt wird.  
    (4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den
    Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder
    als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche
    Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann
    eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere
    ist durch Gesetz zu bestimmen.  
    (5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der
    Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die
    unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der
    Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren
    Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für
    die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von
    Asylentscheidungen treffen.  
    Tibi erläutert "Leitkultur"
    Berlin. (dpa)
    Der Göttinger Politologe Bassam Tibi hat den von ihm geprägten Begriff der
    "Leitkultur" erläutert. "Dazu zähle ich die Grundrechte, eine Trennung
    zwischen Religion und Politik, individuelle Menschenrechte und religiösen
    Pluralismus", sagte Tibi gestern in einem Interview. Der in Syrien geborene
    Politologe hatte den Begriff vor zwei Jahren in seinem Buch "Verordnete
    Fremdenliebe" benutzt. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz hatte ihn übernommen und
    für seine Äußerung, Ausländer müssten sich der "deutschen Leitkultur"
    anpassen, scharfe Kritik geerntet. 
    Tibi sagte, wer in Deutschland
    leben wolle, dürfe sich nicht auf eine Kultur oder Religion berufen, um die Werte des
    Grundgesetzes abzulehnen. Der Politologe gilt als Kritiker einer multikulturellen
    Gesellschaft, die durch falsch verstandene Toleranz Fundamentalismus und Unfreiheit
    erstarken lasse. Er glaubt, dass eine islamische Infiltration Europas droht. 
    Merz verteidigte unterdessen
    seine Forderung. Die Ausländer müssten die "Regeln des Zusammenlebens in
    Deutschland respektieren".  
    © Mannheimer Morgen     
    27.10.2000  
    Arbeitsgrundlage für die
    Zuwanderungs-Kommission der CDU Deutschlands
    Hier kann man das Dokument als ".doc" - Datei (MS Word) - Größe 39
    KB - herunterladen. 
     
    Lösungsvorschlag von Ingo FALK
    "Einwanderung statt Zuwanderung"
    - unter diesem Titel erschien im Nachrichtenmagazin FOCUS in Ausgabe 38/2000 ein Artikel
    des renommierten Politologen Bassam Tibi mit dem Grundtenor, dass "zu viele
    Ausländer das Asylrecht missbrauchen". Der 56-jährige Autor, selbst nicht deutscher
    Abstammung, lehrt seit 1973 an der Universität Göttingen Politikwissenschaften und hat
    unter anderem die Veröffentlichung "Europa ohne Identität? Die Krise der
    multikulturellen Gesellschaft", erschienen im Siedlerverlag, verfasst. 
    Einleitend (Zeilen 1 -
    35) berichtet Herr Tibi von einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der
    Aufforderung von Bundespräsident Rau, "eine breite öffentliche Debatte" über
    Einwanderung in Gang zu setzen, folgte. Er führt hierbei Beispiele von Berichten mehrerer
    Tagungsteilnehmer an, die zum Ausdruck brächten, dass zunehmend niedrig gebildete
    Zuwanderer aus unteren sozialen Schichten einer erfolgreichen Integration nicht fähig
    seien. Desweiteren stellt er ein Umdenken in der deutschen Gesellschaft in Bezug auf die
    Tatsache, dass Deutschland "faktisch ein Einwanderungsland" (Zeile
    37) sei, fest und beruft sich dabei auf Bundesinnenminister Schily, der bereits
    "eine Steuerung der Einwanderungspolitik" (Zeile 39f.)
    gefordert habe (Zeilen 36 - 40). Hiernach präzisiert der Autor,
    dass darunter eine Auswahl der Zuwanderungswilligen nach ihrer beruflichen Qualifikation
    zu verstehen sei (Zeile 41f.). Der Politologe führt im Folgenden
    (Zeilen 45 - 55) aus, dass eine unkontrollierte Zuwanderung
    bereits in der Vergangenheit zu einer Veränderung der Sozialstruktur der in Deutschland
    lebenden Ausländer geführt habe und macht dies an einem statistischen Anstieg des
    Ausländeranteils an den Sozialhilfekosten fest. Als unmittelbare Folge sieht er die
    Diskriminierung von Ausländern insgesamt, die vor allem den "integrierten
    Ausländern" (Zeile 56) ein zunehmendes Ärgernis sei (Zeilen 56 - 62). Der Politkwissenschaftler hält in seinen weiteren
    Ausführungen ein Einwanderungsgesetz für die einzige Lösung (Zeilen
    63 - 71), welches vor allem das bisher gültige verfassungsmäßige Grundrecht auf
    Asyl nicht aussparen dürfe (Zeilen 72 - 78) und nimmt noch einmal
    Bezug auf die Auswirkungen für den deutschen Sozialstaat (Zeilen 79 -
    92). Abschließend stellt Bassam Tibi die Aufrechterhaltung des Artikels 16a des
    Grundgesetzes, in dem das Asylrecht geregelt ist, auch im Hinblick auf die europäische
    Dimension der Problematik in Frage (Zeilen 36 - 40). 
    Klar ist, dass das individuelle Grundrecht
    auf Asyl, welches in der deutschen Verfassung aus historischen Gründen verankert ist, in
    seiner Tragweite sicher einzigartig in der Welt und vor allem in Europa ist. Die
    Bundesrepublik Deutschland ist seit jeher ein beliebtes Ziel von Menschen, die vor
    politischer Unterdrückung oder wirtschaftlicher Not flüchten. Im Rahmen humanitärer
    Hilfe für Krisengebiete, wie zuletzt der Balkan, hat Deutschland stets eine
    überproportional hohe Zahl an Flüchtlingen, insbesondere im europäischen Vergleich,
    aufgenommen. Während der Bundesrepublik in Zeiten des kalten Krieges in diesem
    Zusammenhang vor allem die Rolle des "Leuchtturms in der Brandung" zukam und
    deshalb auch die moralische Unterstützung der westlichen Bündnisländer sicher war,
    stellt sich die Lage heute völlig anders dar. Der "real existierende
    Sozialismus", vor dem viele Menschen flüchteten und der ein unbedingtes Festhalten
    an dem uneingeschränkten Recht auf politisches Asyl erforderte, ist in dieser Form nicht
    mehr vorhanden. Stattdessen sieht sich das wiedervereinigte Deutschland, dessen inneres
    Zusammenwachsen ohnehin große Kraftanstrengungen erfordert, im Zuge der Globalisierung
    einem harten Wettbewerb der westlichen Volkswirtschaften um nachhaltigen Wohlstand
    ausgesetzt. Unter diesem Gesichtspunkt und wenn man zusätzlich die absehbaren Folgen der
    ungünstigen demografischen Entwicklung berücksichtigt, scheint es legitim, die bisherige
    Asylpraxis durch eine regulierte Zuwanderung zu ersetzen, die neben humanitären auch die
    volkswirtschaftlichen Interessen Deutschlands einbezieht. Eine Abstimmung dieser
    Richtlinien mit unseren europäischen Nachbarn muss sich dabei geradezu aufdrängen. 
    Herr Tibi greift in seinem Artikel
    zunächst Stichworte auf, die ihm die Teilnehmer der von ihm erwähnten Tagung liefern. Er
    begründet die Tatsache, dass viele heute nach Deutschland zuwandernde Menschen hier mehr
    und mehr ein "Ghetto-Milieu" (Zeile 12) bildeten, mit
    der sozialen Herkunft dieser Zuwanderer in ihrem Heimatland, in dem diese nicht selten
    "Slumbewohner" (Zeile 21f.) oder gar
    "Analphabeten" (Zeile 26) seien und vor allem einen
    erhöhten Hang zur Kriminalität aufwiesen. Der Politologe folgert daraus, dass
    Einwanderung in Zukunft unter qualitativen Gesichtspunkten einer "Steuerung" (Zeile 39f.) bedürfe und sieht sich hierin durch die aktuelle
    öffentliche Debatte und die Äußerungen führender Politiker bestätigt. 
    Seine Formulierung "Rational gedacht,
    bedeutet Steuerung, vorwiegend qualifizierte Fachkräfte als Migranten
    auszuwählen,..." weckt jedoch die Erwartung beim Leser, dass er nun eine
    differenzierte Betrachtung des Sachverhalts folgen ließe. Stattdessen führt er im
    Anschluss wenig hilfreiche statistische Zahlen an, nach denen sich der Anteil von
    Ausländern am Sozialhilfeaufkommen in den letzten 30 Jahren annähernd verzwanzigfacht
    habe - wohlwissend, dass sich das Asylrecht zwischenzeitlich dahingehend gravierend
    geändert hat, als Aufwendungen für Asylanten von einem ursprünglich eigenständigen
    Budget inzwischen in die Sozialhilfe überführt worden sind, es andererseits
    Asylberechtigten aber untersagt ist, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Diese
    Argumentationsweise entspricht jedoch bedauerlicherweise genau der von
    rechtspopulistischen Demagogen, die damit nur Fremdenfeindlichkeit schüren wollen. 
    Überhaupt darf doch nicht unerwähnt
    bleiben, dass eine "geregelte Einwanderung" (Zeile 69f.),
    die sich ausschließlich an der Qualifikation der Migranten orientiert, letztlich gerade
    den wirtschaftlich armen Herkunftsländern durch systematische Abwanderung von Eliten
    schadet. Zu Recht wird eine solche Praxis von verschiedenen Persönlichkeiten überspitzt
    als "menschenverachtend" bezeichnet, da sie im Grunde den Menschen nur nach
    seinem volkswirtschaftlichen Nutzen beurteilt. Die sprachliche Nuancierung mit Hilfe der
    Begriffe "Zuwanderung" und "Einwanderung" (Zeile
    63ff.) kann hier das Fehlen einer differenzierten Auseinandersetzung mit der
    Problematik seitens des Autors nicht kaschieren. 
    Die anschließend von Herrn Tibi aufgebaute
    Argumentationskette birgt einen gravierenden Widerspruch in sich. Aus der Tatsache, dass
    "96 Prozent der Asylbewerber Zuwanderer und keine politisch Verfolgten" (Zeile 76ff.) seien, leitet er eine hinreichende Begründung für die
    Abschaffung des Asylrechts in seiner jetzigen Form ab und scheint dabei beispielsweise von
    einem kürzlich von der CDU Deutschland veröffentlichten Arbeitspapier,
    welches unter anderem einen ähnlichen Tenor enthält, bestätigt zu werden. Diese
    Argumentation widerspricht sich jedoch selbst, denn Zuwanderer die nicht "politisch
    Verfolgte" sind, besitzen ja eben gar kein "Asylrecht" und fallen somit
    überhaupt nicht unter die Gruppe derer, denen der Schutz des Grundgesetzes der
    Bundesrepublik vor Verfolgung gewidmet ist. Artikel 16a des Grundgesetzes findet auf diese
    Personen nur in sofern Anwendung, als in Absatz 4 Richtlinien zum Umgang mit
    "offensichtlich unbegründeten" (ebd.) Asylanträgen
    formuliert sind, deren Umsetzung jedoch ausdrücklich durch Bundesgesetz zu bestimmen ist.
    Nicht das Asylrecht ist also in Frage zu stellen, sondern die bisherige Praxis seiner
    Durchsetzung. Die hierzu angebrachten Anregungen des Politikwissenschaftlers bleiben aber
    wiederum aus. Gerade in diesem Zusammenhang wäre die von ihm angemahnte europäische
    Harmonisierung und Zusammenarbeit besonders sinnvoll. 
    Als Fazit bleibt festzustellen, dass Herr
    Tibi mit seinem Artikel einer dringend notwendigen Versachlichung der Diskussion einen
    Bärendienst geleistet hat. Besonders vor dem Hintergrund, dass dieses Thema
    voraussichtlich eine wichtige Rolle im kommenden Bundestagswahlkampf spielen wird, in dem
    der Unmut der Wähler über die zweifellos bestehenden Integrationsprobleme
    möglicherweise gegen die Zuwanderung insgesamt ausgespielt werden könnte, wäre eine
    Entemotionalisierung der Debatte vor allem mit Argumenten aus Sicht der Wissenschaft
    wünschenswert gewesen. 
     
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